Wirkungsfeld Kultur

Eine neue Lernkultur etablieren: Agile Lernformate nutzen

Organisations- oder Unternehmenskulturen lassen sich nicht per Hierarchie verändern. Um ein nachhaltiges Umdenken zu bewirken, müssen die „alten“ Mechanismen und Verhaltensweisen von „neuen“ Prozeduren und Einstellungsmustern „überschrieben“ werden. Dies gilt auch für den Bereich der klassischen Lern- und Trainingsformate. Traditionell sind diese noch stark von der Rolle einer „Dozentin“ oder eines „Trainer“ geprägt – und sie stellen damit eine Person ins Zentrum, bei der man davon ausgeht, dass sie es „besser weiss oder besser kann“. Allein aus dieser Stellung heraus und mit der damit oft auch verbundenen (wenn auch versteckt und subtil wirkenden) Macht, wird es schwer, eine wirklich lebendige Lernkultur zu entwickeln. Und wenn dann noch feste Lernziele und vorgegebene Stoffinhalte den Lernprozess prägen, ist das selten eine förderliche Atmosphäre für Entdeckerfreude und Neugier. Und auch der komplexe und sehr individuelle Lernprozess zur Entwicklung von Resilienz – der sich aus dem Zusammenspiel von neuem Input und neuen Aufgaben sowie dem Üben und dem Ausprobieren ergibt – wird über klassische Lernformate nicht wirklich gut unterstützt.

Dabei kann eine neue Lernkultur mit einfachen Maßnahmen und über ein agiles Lernen im Team sehr wirksam in das Bewusstsein der Organisation einfließen. Der Ansatz ist dabei so einfach wie radikal: Die Rolle des „Dozenten“ oder des „Trainers“ oder der „Trainerin“ wird konsequent weggelassen, stattdessen stehen die Selbst-Lernkompetenz des Teams und dessen Neugier im Fokus.

Wann sollte dieses Rezept angewandt werden?

Der Ansatz des agilen Lernens beruht im Kern darauf, dass die agilen Werte, Prinzipien und Methoden auch auf den Lernprozess übertragen werden. So passt dieses Rezept sehr gut zu einem agilem Managementverständnis und ergänzt sich sehr gut mit dem Rezept Scrum.

Sehr gut lassen sich agile Lernformate auch in den „fluiden“ Teilen der hybriden Organisation einführen und nutzen. So kann dann auch sehr gut eine Keimzeile für das Ausprobieren dieser Lernformate in den anderen Bereichen des Unternehmens entstehen. Auf diese Weise kann sich die gesamte Organisation über die Praxis des agilen Lernens mit dem agilen Managementprinzipien vertraut machen. Eigenmotivation und Teamarbeit werden über solche Lernformate besonders angesprochen. Wenn sich dazu Erfolg und Spaß beim Lernen gesellen – angetrieben durch einen hohen Praxisbezug im Rahmen der arbeitsintegrierten Lernimpulse – weckt dies die Neugier und Offenheit für die agilen Managementansätze auch bei sonst eher skeptischen Führungskräften.

Die Transformationsprozesse aktiv mitgestalten: Der Betriebsrat als „Social Adviser“ und „Social Coach“

Dem Betriebsrat kann eine zentrale Rolle zukommen, wenn es darum geht Resilienz und Neugier systematisch in Unternehmen zu fördern und dauerhaft zu verankern. Geht es doch darum, ein neues und vor allem positives Verständnis von Veränderungen in der Organisation zu entwickeln. Die sprunghaften Entwicklungen der VUCA-Welten sind mit den klassischen Managementkonzepten nicht mehr ausreichend nachzuvollziehen und noch viel weniger unternehmerisch zu gestalten. Benötigt werden neue Denkansätze und Konzepte, die die Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung und Neuorientierung fördern. Wenn dies nicht nur von dem Management und von den Führungskräften erkannt wird, sondern auch vom Betriebsrat entsprechend unterstützt und begleitet wird, dann kann sich daraus ein starker gemeinsamer Antritt zur Gestaltung der Veränderungs- und Transformationsprozesse ergeben.

Und es lässt sich sehr gut beobachten, wie sich viele Unternehmen zunehmend systematisch mit ihrer Veränderungskultur beschäftigen. Sie experimentieren mit alternativen Organisationskonzepten und Arbeitsmodellen und sie versuchen auf diese Weise, eine höhere Veränderungsdynamik zu erreichen. Agile und virtuelle Formen der Organisation kommen zur Anwendung, auf deren Basis sich eine selbstorganisierte Zusammenarbeit und vielfältige neue Kooperationsformen entwickeln. Zusätzlich wird mit neuen Führungsleitbildern wie transformative Führung, Führungskraft als Coach oder auch „dienende Führungskraft“ (Servant Leadership) gearbeitet.

Wann ist dieses Rezept anzuwenden?

Die Herausforderungen der Transformationsprozesse und der damit verbundene Anstieg der Wissensarbeit ermöglichen bzw. erfordern eine Weiterentwicklung im Rollenverständnis des Betriebsrats. Ganz im Sinne eines systemischen Managementansatzes gilt es auch hier die alten funktionalen Rollenmuster aufzubrechen und damit auch eine Neu-Definition in der Arbeit des Betriebsrats zu wagen.

Wenn der Betriebsrat die Veränderungs- und Transformationsprozesse des Unternehmens als „Social Adviser“ und „Social Coach“ vor Ort aktiv mitgestaltet, dann können auf diese Weise nachhaltig neue Arbeitsbeziehungen im Unternehmen entstehen. Arbeitsbeziehungen, die die Grundlage und den Rahmen für resiliente und neugierige Entwicklungen bilden – Entwicklungen sowohl auf der Ebene des Unternehmens als Ganzes als auch auf der individuellen Ebene der Mitarbeitenden. Arbeitsbeziehungen, die

  1. der gewachsenen Bedeutung der Fachkräfte und der Wissensarbeiter für den Unternehmenserfolg gerecht werden,
  2. die zweitens die notwendige und gewünschte Selbstorganisation in der Arbeitsgestaltung ermöglichen und
  3. gewährleisten, dass die sozialen und sonstigen Bedürfnisse der Mitarbeitenden systematisch und vorausschauend mit in die Arbeitsorganisation und die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Ein auf diese Weise erweitertes Rollenverständnis des Betriebsrats kann auch verhindern, dass die „alten“ Konfrontationslinien zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretung in den angespannten und belastenden Phasen der Transformationsprozesse wieder neu aufleben. Denn ein Betriebsrat, der als „Social Adviser“ und als „Social Coach“ die Transformation mitgestaltet, kann sehr wirksam dabei helfen, die Sorgen und Ängste der Mitarbeitenden frühzeitig zu entkräften und vor Ort passende neue Lösungen und Entwicklungen mitzugestalten. Für die Mitarbeitenden erwächst dann das wichtige persönliche Gefühl von Sicherheit nicht nur aus dem Arbeitsvertrag und der Stellenbeschreibung. Viel stärker wirken hier die persönlichen Beziehungen im Team und statt der Führungskraft sowie die Einbindung und Beteiligung bei den betrieblichen Entwicklungsprozessen – die jeweils aktiv und vor Ort vom Betriebsrat begleitet werden.

Coaching Kultur: Über die Unternehmenskultur Resilienz und Neugier fest im Unternehmen verankern

Coaching gilt zu Recht als ein hochwirksames Format des Lernens – und kann damit einen äußerst wertvollen Beitrag im Hinblick auf die Entwicklung und die Förderung von Resilienz und Neugier leisten. Ursprünglich als Beratungs- und Entwicklungsgespräch zweier Personen (dem Coach und dem Coachee) entstanden, hat Coaching in den letzten 40 Jahren nach und nach seinen Weg in alle Bereiche der Unternehmenswelt gemacht durch gefunden. Neben dem Einzelcoaching gibt es beispielsweise das Teamcoaching und das Konzept einer Führungskraft als Coach sowie den Ansatz einer unternehmensweiten Coaching Kultur.

Wenn von einer Coaching Kultur die Rede ist, dann wird die besondere Qualität der personenbezogenen Gesprächs- und Beratungssituation zwischen dem Coach und dem Coachee auf die Organisation als Ganzes übertragen. Die Haltung des Coachings ist dabei geprägt von

  • einer gegenseitigen Empathie und Wertschätzung sowie einem Gespräch „auf Augenhöhe“
  • einer klaren Fokussierung auf die Ressourcen und die Potenziale
  • der konsequenten Suche nach neuen Lösungen und Chancen
  • einer ausgeprägten Motivation, gemeinsam zu Lernen und zu Wachsen

Für das Konzept der Coaching Kultur gilt: Diese Coaching Haltung ist prägend für die Ausrichtung und die Zusammenarbeit der Organisation als Ganzes. Das zugrundliegende Konzept umfasst dabei insgesamt zwölf Dimensionen, die in der folgenden Abbildung aufgeführt sind.

Die Entwicklung einer betrieblichen Coaching Kultur erfolgt über einen so genannten „Cultural Change Process“. Die Kommunikation und die Zusammenarbeit wird dabei systematisch zu einem gemeinsamen Reflektieren und einem co-kreativen Weiterentwickeln – in Bezug auf die Produkte, die Prozesse, die Services, die Arbeitsbeziehungen, die Geschäftsmodelle etc. Ein solcher Prozess kann auf die unterschiedlichste Art und Weise initiiert werden. Die verschiedenen Dimensionen der Coaching Kultur unterstützen und befördern sich dabei in ihrer Ausgestaltung und Entwicklung wechselseitig.

Wann ist dieses Rezept anzuwenden?

Studien zeigen, wie sich eine ausgeprägte Coaching Kultur nicht nur sehr positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeitenden in einer Organisation auswirkt, sondern auch die Innovationskraft des Unternehmens als Ganzes stärkt und dessen finanziellen Erfolg steigert. Zudem ergibt sich eine starke positive Korrelation zu einer auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensführung.

Dem Ansatz der Coaching Kultur liegt das Bild eines Unternehmens zugrunde, in welchem das Verständnis zu Kommunikation und Zusammenarbeit weit über den reinen Informationsaustauch und die fachliche Abstimmung hinaus geht. In einer solchen Organisation denkt und handelt man gemeinschaftlich. Die unterschiedlichen Perspektiven werden dabei systematisch in die Entscheidungsfindung mit eingebunden. Auf die persönlichen Beziehungen wird großen Wert gelegt und es wird eine gegenseitige Wertschätzung gepflegt. Die Förderung des gemeinsamen und gegenseitigen Nutzens ist ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Mitarbeitende und Führungskräfte suchen in ihrer tagtäglichen Zusammenarbeit systematisch nach neuen Synergie-Effekten – auch über die organisationalen Grenzen von Abteilungen und Geschäftsbereichen hinaus.