Wirkungsfeld Struktur
Auf dem Weg zur hybriden Organisation: Die Kraft der zwei Systeme
Die klassischen Organisationsmuster der Industriegesellschaft mit ihrer Aufbau- und Ablauforganisation und dem starken Fokus auf Standardprozesse erweisen sich oftmals als langsam und starr. Und im Rahmen des bereits vorgestellten Rezepts >Faustformel „2 – 12 – 200“ wurde deutlich, wie eine gute und unterstützende Arbeitsorganisation für Wissensarbeiter aussehen sollte. Dabei erzeugen die Transformationsprozesse nicht nur auf Personalseite (bei Mitarbeitenden, Teams und Führungskräften) einen hohen Lern- und Veränderungsbedarf – auch Unternehmen als Ganzes stehen unter dem Druck, sich schnell und wirksam auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen, neue Produkte und Services zu entwickeln und ihre Geschäftsmodelle und -strategien anzupassen. Ein wirksamer Ansatz hierzu ist das Konzept der hybriden Organisation.
John P. Kotter, ein US-amerikanischer Professor und Experte für Strategie und Veränderungsmanagement der Harvard Business School, prägte hierzu den Ausdruck „duales Betriebssystem mit der Kraft aus zwei Welten“. Das Grundprinzip einer hybriden Organisation besteht darin, dass ein Teil der Organisation weiterhin klar nach klassischen und damit eher „festen“ Organisationsmustern organisiert bleibt. Der andere Teil der Organisation agiert demgegenüber auf Basis netzwerkartiger und damit „fluider“ Organisationsmuster:
Der „feste“ Teil der Organisation verantwortet den laufenden Betrieb und ist für die zuverlässige Erfüllung des operativen Geschäftes zuständig. Antrieb sind Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen im Rahmen etablierter Geschäftsmodelle und Prozesse. Es gibt eine klare Aufgabenverteilung und den Mitarbeitenden sind festen Stellen und Funktionen zugeordnet. Die Organisation ist eher hierarchisch geprägt, die Mitarbeitenden haben individuelle Ziele und die Führungskräfte achten auf eine rationale und gewissenhafte Arbeitsweise.
Der „fluide“ Teil der Organisation steht für den Antrieb des Unternehmens, sich ständig weiterzuentwickeln, zu lernen und Neues zu entdecken. Mitarbeitende agieren gleichzeitig in verschiedenen Rollen und Funktionen. Projektarbeit und Selbstorganisation prägen ihre Arbeit und es wird eine offene Fehler-, Feedbackund Lernkultur gelebt. Antrieb ist hier das Bemühen um neue, kreative Ideen und dem möglichst schnellen Ausprobieren und Testen neu entwickelter Ansätze.
Wann sollte man das Rezept anwenden?
Netzwerke und agile Arbeitsformen gewinnen über das Konzept einer hybriden Organisation an Bedeutung und ergänzen so systematisch bestehende Organisationselemente. Sie schaffen Freiraum für Ideen und Innovationen und passen sich passen sich flexibel an Veränderungen an. Spontaner Austausch und Experimentieren zeichnet die Vorgehensweise aus.
Das Konzept der hybriden Organisation ist als ein Gegenentwurf zu Szenarien zu verstehen, die am Ende der Transformationsprozesse eine komplett neue Arbeitswelt (oftmals unter dem Label „New Work“ diskutiert) prognostizieren, in der alle Unternehmen vollständig fluide organisiert seien sowie in Netzwerken und anderen agilen Organisationsformen arbeiten werden. Die hybride Organisation hingegen sieht langfristig für die Organisation des laufenden Geschäftsbetriebs feste Organisationsmuster als vorteilhafter an, da dort viel Wert auf Effektivität und Effizienz liegt und weniger Raum für Abweichungen und Veränderungen zugelassen werden. An allen Stellen, an denen Komplexitäten für die Geschäftstätigkeit reduziert werden können, dominieren weiterhin schlanke Prozesse entlang der Wertschöpfungskette das Organisationsdesign. Damit gilt die Faustformel „agile or lean“ – wobei erstes für den „fluiden“ und letzteres für den „festen“ Teil der Organisation gilt. Über die systematische Verbindung von „festen“ und „fluiden“ Elementen schafft die hybride Organisation die organisatorische Grundlage für die Resilienz und Neugier der Organisation.
Der Neugier einen Ort geben: Neue Raumkonzepte, Experimentierräume, Innovation-Labs etc.
Raumkonzepte zementieren Strukturen und Hierarchien und behindern so Veränderungen. Wenn es um Schreibtischgrößen, Einzelzimmer oder Eckbüros geht, ist im wahrsten Sinne des Wortes wenig Platz für Neugier, Agilität und Innovation. Durch die Konzeption eines neuartigen Raumverständnisses können Unternehmen die Neugier und die Resilienz ihrer Mitarbeitenden aktivieren. Räume können so gestaltet werden, dass die Mitarbeitenden ihre Entdeckerfreude ausleben können und die Offenheit für die Ideen anderer gleichzeitig gefördert wird. Und Räume können das Zusammengehörigkeitsgefühl, den Austausch und den Dialog unterstützen, und damit wichtige Faktoren für die Resilienz unterstützen.
Wann sollte dieses Rezept angewandt werden?
Die Möglichkeiten sind vielfältig und gerade die Erfahrungen der Corona-Pandemie und ihre Folgen haben die Diskussionen um das Büro und den Arbeitsplatz intensiviert. HomeOffice und mobiles Arbeiten etabliert sich in immer mehr Bereichen als Standard, zugleich rücken offene und flexible Büro-Raumkonzepte in den Vordergrund. Sogenannte DeskSharing-Konzepte, ausgestattet mit der notwendigen Hardware (wie Docking-Station, Bildschirm etc.), lösen zunehmend die individuellen Arbeitsplätze der Mitarbeitenden ab. Je nach Tätigkeitsbedarf kann das entsprechende Arbeitsumfeld ausgesucht werden. Beispielsweise in Form von einsehbaren Meetingräumen mit offenen Glasfronten oder abgetrennten Bereiche, die ein ruhiges und konzentriertes Arbeiten fördern. Oft gibt es zudem Dialog-Plätze, Lernwerkstätten und Experimentierräume, über die man das informelle Lernen, den Wissenstransfer, das freie Üben und Trainieren sowie die kreative und gestalterische Arbeit mit einer entsprechenden räumlichen Infrastruktur unterstützt. Manchmal helfen aber auch einfach bunte Bilder oder ungewöhnliche Elemente aus der Büroausstattung, um eine angeregte und kreative Arbeitsatmosphäre zu unterstützen.
Dem Stress in der Arbeit auf der Spur: Die Stress-Mindmap
Allein in Deutschland gehen mehr als die Hälfte aller krankheitsbedingter Fehltage auf zu viel Stress und eine zu hohe psychische Belastung zurück. Tunnelblick, schlechte Laune, Gereiztheit, ständige Streitereien und Reibereien mit anderen Personen und Teams, Achtlosigkeit, Verdrängung, Demotivation und Resignation können stressinduzierte Symptome sein, die zu einem zumeist längerfristigen Ausfall führen können. Damit entstehen sowohl direkt als auch indirekt hohe Folgekosten für die Unternehmen. Der einfachste Hebel ist, die Ursachen für den Stress (die so genannten Stressoren) gezielt zu minimieren. Dabei sind die Gründe für Stress mannigfaltig, wie folgende Auflistung verdeutlicht:
- steigender Leistungsdruck und zunehmende Arbeitsverdichtung,
- erhöhter Abstimmungsbedarf infolge gestiegener Komplexitäten und Abhängigkeiten,
- eine höhere Unsicherheit in Bezug auf den Arbeitsplatz, die eigene Rolle/Position sowie die zu erledigenden Aufgaben und
- die zunehmende Auflösung der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben und die damit steigende Schwierigkeit „mal wirklich abschalten zu können“.
Mit Hilfe einer entsprechenden Mindmap wird Stress greifbarer gemacht – und das jeweils ganz individuell bzw. spezifisch für das jeweilige Arbeitsteam. Das systematische Erfassen der Faktoren, die bei jedem Einzelnen und im Team als Ganzes den Stress erzeugen, identifiziert mögliche Ursachen und macht diese transparent. Zudem hilft der systematische Austausch im Team, neue Perspektiven auf die belastenden Faktoren zu entwickeln. Sind Auslöser und Gründe erst einmal herausgearbeitet und analysiert, lassen sich gemeinsam passende Maßnahmen für den Umgang mit den Stressoren entwickeln. Die folgenden Abbildungen zeigen die Arbeit mit der Stress-Mindmap in insgesamt sechs Schritten.
Wann sollte dieses Rezept angewandt werden?
Eine Stress-Mindmap ermöglicht zunächst allgemeine Klagen über zu viel Stress sehr praxisnah und höchst teamspezifisch zu analysieren und auf seine Ursachen und Auslöser zurück zu führen. Im Team werden auf dieser Basis dann entsprechende Maßnahmen und Lösungsansätze diskutiert. Die Stress-Mindmap hilft dabei, die Ursachen für den Stress und die damit verbundenen Belastungen wirksam zu reduzieren. Ein bewusstes Arbeiten mit der Stress-Mindmap steigert die Belastbarkeit und die Regenerationsfähigkeit – sowohl des Teams als auch jedes Einzelnen. Und nicht selten ergeben sich quasi nebenher neue Ansätze und Ideen, um die Arbeit im Team anders und noch besser zu organisieren. Es empfiehlt sich daher, die Arbeit mit der Stress-Mindmap auf Teamebene in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Ergänzend hat sich der Einsatz der Stress-Mindmap im Einzelgespräch zur individuellen Analyse und Aufstellung des persönlichen Stressempfindens bewährt.