Wirkungsfeld Team
„2–12-200“: Die Faustformel für die Organisation von Wissensarbeiter:innen
Anonymität und starre Hierarchien sind häufig die Folge einer überdimensionierten Organisationsgröße und rein funktionaler Arbeitsbeziehungen. Die Forschungen zur Unternehmensführung zeigen, dass resiliente und neugierige Unternehmen − ganz ähnlich wie Organismen − mit einer Art Zellteilung reagieren, wenn die Teams und die Geschäfts bereiche zu groß werden. Diese Teilungen dienen dem Zweck, eine größtmögliche Reaktionsfähigkeit und Vitalität zu erhalten, was insbesondere für die moderne Wissensarbeit von großer Bedeutung ist. Hierzu gilt die Faustformel „2 – 12 – 200“:
- Die Zahl „2“ steht stellvertretend für eine enge, persönliche und durchaus freundschaftliche Beziehung im Kollegenkreis. Diese „Tandems“ oder kleine Teams von max. 3–4 Leuten unterstützen sich aktiv und arbeiten gleichsam wie in einer Symbiose zusammen. Diese besondere Arbeitsbeziehung zeigt sich insbesondere auch in schwierigen Situationen, wo man sich wechselseitig wie bei einem Coaching unterstützt.
- Die Zahl „12“ steht stellvertretend für die geeignete Anzahl von Menschen, die ein wirklich gut funktionierendes Team ausmachen. Wie im Mannschaftssport arbeitet man eng zusammen an einem Projekt oder einer größeren Aufgabenstellung, hilft sich gegenseitig und sucht den größtmöglichen gemeinsamen Erfolg. Die Teamgröße (zwischen 7–8 bis max. 14–15 Personen) ist die Grundlage für die Entwicklung verschiedener Rollen und Expertisen und verhindert gleichzeitig das Entstehen von Fraktionen und Untergruppen mit zu starken Partikularinteressen.
- Die Zahl „200“ steht stellvertretend für die maximale Zahl an Personen, zu denen man ein Gefühl von Vertrautheit entwickeln kann im Sinne eines: „Wir kennen uns und wissen, wofür der jeweils andere steht.“ Wird diese Zahl signifikant überschritten, so verliert sich nach und nach die emotionale Nähe und Verbundenheit – allein über die Menge der potenziellen Arbeitsbeziehungen. Obwohl man zwar der gleichen Organisation angehört und ggf. sogar am gleichen Arbeitsort tätig ist, fällt es immer schwerer, eine wirklich kollegiale Verbundenheit untereinander aufrecht zu erhalten.
Wann sollte dieses Rezept angewandt werden?
In einer modernen Arbeitswelt, in der immer vernetzter gearbeitet wird, steigt die Komplexität und die gegenseitige Abhängigkeit. Damit steigt auch die Bedeutung von funktionierenden und leistungsorientierten Teams („High Performing Teams"). Je mehr es bei der Arbeit auf Informationsbereitstellung, Wissensaustausch und intensive Kommunikation ankommt und je wichtiger die kollegiale Zusammenarbeit und die Entwicklung kreativer Lösungen werden, umso stärker sollte man sich deshalb an der Faustformel „2 – 12 – 200“ orientieren.
Verschiedene Rollen und Aufgaben kennenlernen: Job-Rotation
Job-Rotation oder Hospitationen beschreiben eine „Arbeitsplatzübernahme auf Zeit“, bei dem die Mitarbeitenden innerhalb der eigenen Organisation unterschiedliche Positionen besetzen. Dabei lernen sie verschiedene Aufgabenbereiche, Herangehensweisen und Perspektiven kennen und sie erweitern ihren beruflichen Horizont, in dem sie sich ein Verständnis zu anderen Themenstellungen und Aufgabengebieten erarbeiten. Job-Rotation zahlt sich auch dadurch aus, dass sie die interne Zusammenarbeit stärkt und zur Verbesserung der Arbeitsabläufe beiträgt.
Die Job-Rotation fördert ein bereichsübergreifendes Lernen, steigert die Vernetzung und unterstützt neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Das sogenannte Kohärenzgefühl – als eine der wesentlichen Grundlagen der Resilienz – kann über Job-Rotation eindrucksvoll gestärkt werden, da es den Mitarbeitenden vielfältige neue Perspektiven und Kenntnisse zum unmittelbaren Kontext ihrer eigenen Arbeit vermittelt.
Wann sollte dieses Rezept angewendet werden?
Dem überschaubaren organisatorischen Aufwand, den die Job-Rotation mit sich bringt (vor allem in Form von Vertretungs- und Abwesenheitsregelungen) steht ein großer Nutzen für die Mitarbeitenden, die Teams und das Gesamtunternehmen gegenüber.
Aus der Perspektive der Neugier heraus betrachtet, führt jedes Verlassen der eigenen vertrauten „Comfort Zone“ zunächst zu einer gewissen Ungewissheit und Unsicherheit. In diesem Falle gilt das auch für jeden Wechsel des Arbeitsplatzes oder von Zuständigkeitsbereichen. Es entsteht das Ziel, schnellstmöglich den Zustand der Unsicherheit und Ungewissheit zu überwinden. Zudem gibt es den Anreiz, sich in dem neuen Kontext „zu beweisen“ und ein vollwertiges Mitglied im Team zu werden. So werden gleich alle vier Neugierdimensionen aktiviert: Durch die Übernahme neuer Aufgabenfelder im Rahmen der Job-Rotation entstehen Wissenslücken und damit der Anreiz, diese zu schließen. Die Mitarbeitenden sammeln neue Erfahrungen und entdecken neue Möglichkeiten. Dies fördert die Offenheit gegenüber neuen Ideen. Damit werden der Wille und die Möglichkeit gesteigert, den Status Quo infrage zu stellen und die Fähigkeit, neue Ansätze und Lösungswege für Problemstellungen zu finden. Die damit trainierte Anpassungstoleranz der Mitarbeitenden befähigt diese, Risiken einzugehen und Neuem und Unbekanntem unvoreingenommen gegenüberzutreten.
Perspektiven durch Vielfalt ausschöpfen: Diversität
Diversität mag für den oder anderen ein „Modebegriff“ im Management sein und wird leider oft entsprechend oberflächlich diskutiert. Für die Resilienz und die Neugier eines Unternehmens spielt die Diversität gleichwohl eine ganz zentrale Rolle und gehört daher unbedingt in diese Zusammenstellung von Rezepten.
Diversität bedeutet nicht nur die Vielfältigkeit der Mitarbeitenden im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft oder Bildungsstatus. Es geht vor allem auch um die Unterschiede in den Präferenzen, in der sozialen Herkunft, in den beruflichen Erfahrungen, bei den tagtäglichen Gewohnheiten sowie bei den privaten Neigungen und Hobbies.
Diversität bringt auf diese Weise eine große Vielfalt unterschiedlicher Perspektiven in den Unternehmensalltag ein. Mehr noch – nimmt man Diversität wirklich ernst, wird vieles zunächst einmal komplizierter und komplexer und erschwert die Kommunikation und die Abstimmung. Kurzum: Durch Diversität kommt es zu (Mehr-)Aufwand. Andererseits hat eine etablierte Diversität den großen Vorteil, dass sie – ähnlich wie die bereits vorgestellten Themen Job-Rotation und kollegiale Fall-Beratung – ihre positiven Wirkungen unmittelbar „bei der Arbeit“ und „vor Ort“ entfaltet. Diversität sorgt dafür, dass in der gesamten Organisation eine Spannkraft entsteht, die wiederum maßgeblich die Resilienz und die Neugier der Mitarbeitenden fördert. Mitarbeitende, die regelmäßig Erfahrungen mit Diversität machen, sind offener gegenüber Neuem. Sie agieren souveräner in ungewohnten Situationen und sie bleiben auch in komplexen und unübersichtlichen Situationen leistungsfähig.
Wann sollte dieses Rezept angewandt werden?
Insbesondere Fragestellungen, die einen übergreifenden Charakter haben oder einen innovativen Ansatz benötigen, sollten nicht nur von einem reinen Fach-/Expertenteam bearbeitet werden. Es gilt die Gefahr der „Betriebsblindheit“ durch eine möglichst breite Auswahl von Teammitgliedern auszuschließen. Für zukunftsfähige Lösungen und neue, innovative Ideen müssen verschiedenste Perspektiven betrachtet werden. Nur ein vielfältiges Team kann mit den vielen Aspekten und Sichtweisen in komplexen Situationen produktiv umgehen. Umgekehrt gilt aber auch: Bei Routinearbeiten und im Kontext von Prozessen und Abläufen, bei denen es um eine hohe Standardisierung und um möglichst geringe Kosten geht, sollte man auf die oben skizzierten Eigenschaften der Diversität entsprechend eher verzichten. Je gezielter Diversität eingesetzt wird, desto mehr kann sie ihren Nutzen entfalten.